Frugalismus: Bewusstes Sparen oder doch Verzicht?
„Darauf verzichten Frugalisten, um mit 40 in Rente zu gehen” – so oder so ähnlich lauten oft Titel von Beiträgen über Frugalismus. Oft wird Frugalisten vorgeworfen, dass sie jeden Cent dreimal umdrehen – entspricht das tatsächlich der Realität oder handelt es sich hierbei lediglich um Vorurteile?
Gastbeitrag von Frugalismus-Expertin und Bloggerin: Valentina Dapunt (Minimalfrugal.com)
1. Was bedeutet Frugalismus?
Frugalismus ist ein Lebensstil, der sich von der FIRE Bewegung aus den USA ableitet. Die Abkürzung FIRE steht für „Financial Independence Retire Early“. Als Kernaspekte von Frugalismus gelten mehr Lebensfreude sowie finanzielle Unabhängigkeit. Durch bewussten Konsum sowie Fokus auf das Wesentliche ergibt sich oft eine hohe Sparquote. Das Geld wird nicht für Unnötiges ausgegeben, sondern investiert. Das Ziel ist, seine Lebenshaltungskosten zukünftig durch Kapitalerträge decken zu können. Laut der 4 % Regel, die aus der Trinity Studie abgeleitet wurde, wird dafür ein Vermögen benötigt, das dem 25-fachen der jährlichen Ausgaben entspricht.
2. Verzicht vs. bewusster Konsum
Muss man jeden Cent dreimal umdrehen, um sich Frugalist nennen zu dürfen? Nein! Beim Frugalismus geht es absolut nicht darum, an jeder Ecke zu sparen. Von Laden zu Laden zu fahren, nur um ein paar Cent zu sparen, ist zum Beispiel auch gar nicht effizient. Vielmehr lohnt es sich, die großen Ausgaben wie Miete, Mobilität, Verträge oder Konsumgewohnheiten zu hinterfragen. Viel Geld lässt sich z.B. durch eine kleinere Wohnung, öffentliche Verkehrsmittel statt PKW oder das Kündigen von unnötigen Abonnements einsparen.
Für Dinge oder Erlebnisse, die einem Freude bereiten, soll natürlich weiterhin Geld ausgegeben werden. Gehaltsverhandlungen sowie Minijobs oder Nebentätigkeiten bieten die Option, seine Sparquote noch weiter zu erhöhen.
3. Mit 40 in Rente? Ist doch langweilig!
Ab 40 nur noch am Strand rumliegen und nie mehr arbeiten? Das ist nicht das Ziel. Wenn einem der Job weiterhin Spaß macht, arbeitet man einfach weiter. Aber nicht, weil das Geld zum Leben benötigt wird, sondern weil einem die Arbeit Freude bereitet. Wenn sich beispielsweise die Bedingungen ändern, kann man jederzeit kündigen, ohne Sorgen um die finanzielle Zukunft zu haben. Das versetzt Menschen in eine viel bessere Verhandlungsposition. Frugalisten wollen vor allem selbst entscheiden, wie, woran, wie viel und mit wem sie arbeiten und frei über ihre eigene Zeit verfügen. Diese kann beispielsweise (unentgeltlichen) Projekten oder ehrenamtlichem Engagement gewidmet werden. Zudem bleibt mehr Zeit für Familie, Freunde und Hobbies.
Dennoch ist es wichtig, dass man sich bereits jetzt einen Job sucht, der einen erfüllt. Jahrelang einer Tätigkeit nachzugehen, bei der man sich nur nach Feierabend und Wochenende sehnt, nur um irgendwann finanziell frei zu sein, ist nicht sinnvoll. Der Weg zur finanziellen Unabhängigkeit soll Spaß machen.
4. Ist Frugalismus als Familie möglich?
Einige Frugalisten zeigen, dass es auch als Familie möglich ist, finanzielle Freiheit anzustreben und eine hohe Sparquote zu erzielen. Gerade in den ersten Jahren brauchen Kinder vor allem Zeit, Zuwendung und Liebe. Außerdem kommt es auch auf den Zeitpunkt der Familiengründung an. Wenn man bereits früh mit dem Sparen und Investieren anfängt, kann das die finanzielle Situation als Familie später enorm erleichtern.
5. Fazit
Zusammenfassend sind folgende Aspekte wichtig:
- Bewusster Konsum ohne Einschränkung
- Erfüllender Job bereits im „Hier und Jetzt“
- Sparen und investieren für die Zukunft
Ziel ist es, ein erfülltes Leben im „Hier und Jetzt“ zu führen, indem man weiterhin für Dinge, die einem Freude machen, Geld ausgibt und einem sinnstiftenden Job nachgeht. Durch gleichzeitiges Sparen und Investieren wird man immer unabhängiger von seiner Erwerbstätigkeit und nähert sich der finanziellen Freiheit.